Erzgebirge Nußknacker / chinesische Nußknacker
  • Nußknacker-König
    (h: 35 cm), WS Werner Füchtner-Seiffen um 1980
  • Wilhelm Füchtner
    "Vater" des Erzgebirge-Nußknackers, (1844-1923)
    © Volker Füchtner
  • Nußknacker-Polizisten nach Richard Langer
    (h: 24,5 cm), WS PGH Seiffener Volkskunst um 1970.
    Dieser Nußknacker-Typ wurde auf Anweisung auch in Rothenthal gefertigt
  • König Nußknacker
  • Nußknacker-Soldat
    (h: 34 cm), WS PGH Seiffener Volkskunst um 1980
  • Nußknacker-Türke
    (h: 35,5 cm), WS VERO Olbernhau (Seiffen) um 1966
  • Nußknacker-Könige
    (h: 37 cm), WS PGH Seiffener Volkskunstum 1970.
    1970 wurde das Pelz- auf Kunsthaar umgestellt.
    Ab 1990 wurde wieder das ursprüngliche Pelzhaar verwendet.
    1970 und 1990, in der Umstellungsphase,
    wurden beide Haarteile verwendet
    (gilt nur für PGH Seiffener Volkskunst).
  • Nußknacker-König
    (h: 19 cm), WS Rothenthal ab 1980
  • Nußknacker-Könige
    Links, v.l.n.r.:
    Nußknacker-König
    (h: 34 cm), WS VERO Olbernhau-Seiffen um 1966
    Nußknacker-König
    (h: 37 cm), China um 1990, Plagiat des VERO-Königs
    Nußknacker-König
    (h: 35,5 cm), WS Provinz Zhejiang (China) um 1990
  • Nußknacker-Musketiere
    (h: 22,5 cm), WS VEB Olbernhau-Seiffen um 1970.
    Wurde auch in einer Höhe von 35 cm produziert.
  • Nußknacker "Royal Guard"
    (h: 31 cm), WS VEB Olbernhau-Seiffen um 1980
  • Nußknacker
    Rechte Seite, v.l.n.r.:
    Nußknacker-Wachsoldat
    (h: 41 cm), VERO Olbernhau um 1982
    Nußknacker-Däne
    (h: 30 cm), PGH Seiffener Volkskunst um 1980
    Nußknacker-Däne
    (h: 39,5 cm),PGH Seiffener Volkskunst um 1980
 

Erzgebirge-Nußknacker | Chinesische Nußknacker

Wie alt der Nußknacker ist und wie der erste Nußknacker aussah, ist nicht bekannt. Schon immer gehörten Nüsse zu den Nahrungsmitteln der Menschen. Um sie zu knacken, wurden zunächst harte Gegenstände verwendet. Beim Knacken der Nüsse wollte man jedoch nur die Schale öffnen, die Nuß aber nicht verletzen. Dafür wurde die Nußzange geschaffen, die neben ihrer praktischen Funktion sehr früh zum Gegenstand der figürlichen Darstellung wurde. Die volkskünstlerische Phantasie widmete sich schnell auch diesem Gebrauchsgegenstand. Das menschliche Lebensumfeld gab die Form vor, und so entstanden auch Nußknacker in menschenähnlicher Gestalt.

In der Handwerkskunst des Erzgebirges reicht die Produktion von Gebrauchsgütern und Spielzeug bis in das 18. Jahrhundert zurück. Noch in der "Blütezeit" des Bergbaus waren die meisten Bergleute wegen des geringen Einkommens gezwungen, in Zweit- und Nebenberufen ihr karges Einkommen aufzubessern. Eine zusätzliche Erwerbsquelle bot die Holzverarbeitung. Nicht Stunden der Muße, sondern Zeiten der wirtschaftlichen Not zwangen den Bergmann zu einem Berufswechsel.

Um 1880 schlug die Geburtsstunde des uns heute bekannten figürlich gestalteten Erzgebirge-Nußknackers, einer Figur mit bärbeißigem Gesicht aus Fichtenholz. Einer der ersten Betriebe, welche Nußknacker in gewerblicher Form produzierten, war die Werkstätte des Drechslers Wilhelm Friedrich Füchtner. Anregungen zur Gestaltung seiner Figuren hat Füchtner wohl aus dem Thüringer Raum bezogen, wo Nußknacker bereits seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert erzeugt wurden. Der Handwerker formte den Korpus, Hände und Beine an der Drechselbank nach und bemalte diese mit Uniformen der "Obrigkeit". Augen, Schnauzbart und Schuhe wurden aus Brotteig geformt und aus Kaninchenfell wurden Kinnbart und Kopfhaar gefertigt. Damals galten die grimmig dreinschauenden Nußknacker als Persiflage beziehungsweise dienten sie als Spott auf die Obrigkeit – zumindest in der Weihnachtszeit hatten sie die Nüsse armer Leute zu knacken.

Um 1920 entstand der wohl berühmteste Füchtner-Typ, der Nußknacker­König. Auf einem schwarzen Schachthut, wie ihn die Bergleute im Erzgebirge trugen, zeichnete Füchtner die goldene Königskrone, deren Zacken nach unten zeigten und bemalte diesen erstmals mit einem selbstständigen Dekor.

In späterer Folge trugen mehrere Werkstätten zur Eigenständigkeit des Erzgebirge-Nußknacker-Typs bei. Diese "Eigenständigkeit" entwickelte sich allerdings aus Vorbildern Thüringer Nußknacker, denen man um die Jahrhundertwende noch sehr verhaftet war. So entstand um 1910 ein weiterer Klassiker, der Nußknacker-Gendarm von Richard Langer (1887-1967) in Seiffen. Angelehnt war dieser, wie auch die Figur des Königs, aus dem Kindermärchen "König Nußknacker und der arme Reinhold", an Nußknacker aus diesem Raum.

Durch das Drechseln der Figuren konnten große Stückzahlen zu einem erschwinglichen Preis hergestellt werden. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Erzgebirge-Nußknacker einer der gefragtesten Exportartikel der DDR und im eigenen Land kaum erhältlich. Das dekorative Nußwerkzeug wurde schnell zum gefragten Sammlerstück. Teilweise war die Nachfrage so groß, daß der beauftragte Hersteller die gewünschten Stückzahlen nicht produzieren konnte. Damit der Auftrag trotzdem erfüllt werden konnte, mußten andere Betriebe Nußknacker dieser Firma erzeugen.

Die Erzgebirge-Erzeugnisse erhielten aber bereits Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts Konkurrenz aus dem Ausland, vermehrt aus dem asiatischen Raum. Die strammen und ehrfurchtgebietenden Nußknacker wurden von amerikanischen und westdeutschen Handelsfirmen in China oder Taiwan in Auftrag gegeben. Da die Hersteller im Fernen Osten ohne Tradition auf diesem Gebiet fertigten, erhielten sie mit Sicherheit Nußknacker aus dem Erzgebirge als Produktionsvorbild. Dieses Vorbild wurde dann je nach Hersteller besser oder schlechter umgesetzt. Zu Beginn allerdings entsprachen diese Nußknacker nicht dem Schönheitsbild des Mitteleuropäers. In späterer Folge entstanden gefällige Plagiate erzgebirgischer Nußknacker wie auch interessante eigenständige Entwürfe.

Da der DDR-Volksstaat nicht nur die Verkaufspreise vorgab, sondern auch den Export regelte, erhielten die Betriebe keine Informationen über die bereits entstandene Konkurrenz. Um zu überleben, war den Erzgebirge-Herstellern wichtiger, daß ihre eingereichten Nußknacker vom "Branchenleiter" angenommen wurden, sie einen Auftrag für diese erhielten und für die Herstellung Holz zugeteilt bekamen. Gekauft wurden die fertigen Stücke von Einkaufs- und Liefergenossenschaften, welche den Export und den Vertrieb im Binnenland abwickelten. Es war auch möglich, Nußknacker direkt an Einzelhandelsgeschäfte in der DDR oder an einige wenige private Zwischen- und Großhändler, die nur den Binnenmarkt versorgten, zu liefern.

Die deutsche Wiedervereinigung im Jahr 1989 stellte die Betriebe im Erzgebirge vor neue, ungekannte Probleme. Firmen waren von heute auf morgen auf sich selbst gestellt und mußten sich in der freien Marktwirtschaft behaupten. Der Verkauf mußte neu organisiert und die Auslandskontakte neu angebahnt werden. Zwar konnten die Betriebe ihre Ware jetzt ohne Auflagen der Behörde anbieten, sie hatten aber auch keine garantierte Abnahme mehr. Einige Hersteller mußten, um zu überleben, Händlerwünschen nachkommen, die sie mehr oder weniger zwangen, Kitsch zu produzieren. Auch wenn die Ausführung in keinem Vergleich zum Original stand, war mit ein Auslöser für diesen Überlebenskampf der niedrige Verkaufspreis chinesischer Nußknacker.

Langsam erholten sich die Betriebe vom Wiedervereinigungs-Schock. Der Export ging zwar zurück, doch durch den einsetzenden Fremdenverkehr im Weihnachtsland Erzgebirge, vor allem nach Seiffen, konnte dieser Wegfall kompensiert werden. Durch den Touristenstrom konnten sich die meisten Firmen halten, vor allem dann, wenn sie ihre Produkte auch in die USA lieferten.

Heute ist der Erzgebirge-Nußknacker neuen Gefahren ausgesetzt. Wir leben in einer Zeit, in der Reizwörter wie billig, reduziert und Schnäppchen täglich auf einen niederprasseln. Der Erzgebirge-Nußknacker war und ist nie ein Billigprodukt oder Schlußverkaufsobjekt gewesen. Der chinesische Nußknacker kann wohl mit dieser Aussage leben und wird dadurch weiter Marktanteile gewinnen. Wer allerdings handwerkliche Qualität bevorzugt, wird immer zum Original Erzgebirge-Nußknacker greifen.